Zum Inhalt springen

Akzeptanz

Dinge zu akzeptieren, die du nicht ändern kannst, ist hart. Es ist ein permanenter Prozess, bei dem du fast am Ende stehst und plötzlich durch ein Wort oder ein Lied wieder an den Anfang zurück katapultiert wirst. Es kann unheimlich frustrierend sein und fühlt sich oft so an, als würdest du auf der Stelle laufen. Du kommst gefühlt einfach nicht vorwärts. Und eines Tages passiert auf einmal das: du kommst an. Einfach so, ohne Vorwarnung. Woran du das merkst? Das ist vermutlich bei jedem anders. Ich zum Beispiel fühle mich dann innerlich ruhig, wie nach den letzten Windböen eines Sturmes. Da ist keine Rastlosigkeit mehr und wieder Platz in meinen Gedanken für Anderes. Das Verrückte an diesem Zustand: Je mehr du versuchst, ihn zu erzwingen, desto weniger tritt er ein (das ist zumindest bei mir so). Der erste Schritt ist also zu akzeptieren, dass du die Situation nicht ändern kannst.

Dieser erste Schritt ist mit der schwerste. Weil du dir eingestehen musst, dass du eben nicht alles kontrollieren kannst. Gerade mit einer chronischen Krankheit wie MS, wo du nie weißt, was du kriegst, ist das noch schwieriger als es ohnehin schon ist. Weil letztendlich alles, was wir dafür tun, dass es uns besser geht ein einziger Versuch ist, eine unkontrollierbare Krankheit unter Kontrolle zu bringen. Deshalb nehmen wir Medikamente, gehen zur Physiotherapie oder probieren Alternativen zur Schulmedizin aus. Denn ob das alles unterm Strich langfristig etwas bringt wissen wir nicht und werden es auch nie erfahren. Selbst wenn die MS stagniert kann das viele Gründe haben, die nicht zwingend mit dem zusammen hängen müssen, was wir dafür tun.

Und obwohl es so viel Überwindung kostet, diese Kontrolle abzugeben, lohnt es sich. Weil es dir ermöglicht, wieder nach vorne zu schauen und deine Energie Dingen zu widmen, die du tatsächlich ändern und beeinflussen kannst (was auch deutlich motivierender ist als erfolglos zu versuchen, etwas zu ändern, was du nicht ändern kannst). Weil sich dein Horizont dadurch auch erweitern kann und du neue Dinge lernst. Als ich meinen letzten Schub hatte und keinen Schritt mehr laufen konnte hat es mir sehr geholfen, “out of the box” zu denken. Natürlich habe ich alles versucht, um wieder so laufen zu können wie vorher. Nur in genau diesem Moment musste ich einfach akzeptieren, dass das gerade nicht geht und dass ich das nicht ändern kann. Was ich in diesem Moment aber ändern und beeinflussen konnte war mein Umgang damit. Durch das Ändern meiner Einstellung habe ich gelernt, dass ich selbst mehr kann als ich es selbst wusste und dass sehr vieles möglich ist, wenn du dich nur auf einen neuen Weg einlassen kannst.

“Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.”

– Reinhold Niebuhr

In solchen Situationen kann Akzeptanz fehl am Platz sein: denn dann könntest du tatsächlich etwas machen, damit sich die Situation für dich verbessert. Ich meine damit vor allem Handlungen, mit denen du für dich selbst und deine Werte einstehst. Das erfordert sehr oft sehr viel Mut und manchmal ist das kurzfristige Ergebnis sogar schlechter als die bisherige Situation. Aber für sich selbst einzustehen ist ein tolles Gefühl und macht es dir auf lange Sicht gesehen leichter. Das muss nicht einmal objektiv sein. Manchmal verändert sich nur deine eigene Sicht auf die Dinge. Diese neue Sicht ist allerdings eine riesige Chance, dazu zu lernen und einen Blick über den Tellerrand zu werfen. Und selbst wenn du am Ende dein Ziel nicht erreichst kannst du dir immerhin nicht vorwerfen, dass du nicht alles dafür getan hättest.

Die Grenze zwischen Dingen, die du ändern kannst, und Dingen, die du nicht ändern kannst, ist leider fließend und verändert sich ständig. Oft denke ich, dass ich etwas ändern kann und es stellt sich nach einiger Zeit heraus, dass das einfach nicht so ist. Dann muss ich das akzeptieren. Manchmal passiert das aber auch in die andere Richtung. Das ist die für mich unschönere Variante. Denn dann könnte ich etwas ändern, aber mache es nicht, weil ich nicht daran glaube, dass das überhaupt geht. Damit verbaue ich mir Chancen, die sich oft nicht mehr wiederherstellen lassen. Meistens erfahre ich ohnehin zu spät, dass ich etwas hätte machen können. Zum Glück ist das nicht immer so und manchmal brauche ich auch jemanden, der mir das ungeschönt ins Gesicht sagt. Deswegen ist es vielleicht manchmal besser, zuerst zu versuchen, alles für ein Ziel getan zu haben und nicht bei der ersten Schwierigkeit aufzugeben. Denn manchmal überrascht man sich dabei selbst und gewinnt.

Foto: Philipp Wiebe / pixelio

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert